LG Bad Soden / Neuenhain

Leichtathletik

Beachtliche Laufbahn: Den Weltrekord im Visier

Artikel aus dem Höchster Kreisblatt vom 19.3.2016:

Über 800 Meter hat er Großes vor: Peter Oberließen von der LG Bad Soden/Sulzbach/Neuenhain.


VON VOLKER HOFBUR
















Der Schwalbacher Peter Oberließen hat für den 1. Mai ein großes Ziel. Der Senior ist "Leichtathlet des Jahres 2015" im Kreis Main-Taunus geworden. Er hat eine Sportler-Vita, wie man sie nur selten findet.

Peter Oberließen (55) freute sich über diese Auszeichnung: „Das ist schon irre. Ich wurde als Senior zum besten Leichtathleten gewählt, obwohl Jugendliche und Aktive auch zur Wahl standen.“ Dabei blickt er auf eine ungewöhnliche Laufbahn zurück. Als Schüler begann er beim TV Brilon im Sauerland mit der Leichtathletik. Acht Jahre war er aktiv, ehe er vor dem Abitur die Qualifikation für die westdeutschen Meisterschaften verpasste. „Ich stand damals vor der Wahl: entweder richtig reinknien oder aufhören. Ich wollte nicht mehr, habe aufgehört und mein Abitur gemacht“, berichtet Peter Oberließen.

Spätes Comeback

2005 wurde sein drittes Kind geboren. „Da hatte ich den Eindruck, dass ich wieder fit werden wollte. Ich habe mit dem Langstreckenlauf begonnen und bin meinen ersten Halbmarathon gelaufen“, berichtet Oberließen. Ein Jahr später ging er beim Frankfurt Marathon an den Start, hatte dort aber auf der zweiten Hälfte derart mit Krämpfen zu kämpfen, dass er für sich entschied, doch wieder auf der Mittelstrecke zu laufen. Oberließen vollzog diesen Schritt dann 2007. „Dabei haben mir alle Grundlagen gefehlt“, erinnert er sich, „bei mir kam mit zunehmender Zeit die Erkenntnis, dass du viel höhere Geschwindigkeiten erreichen musst, um 800 Meter laufen zu können. Das hat Jahre gedauert.“ Oberließens Rechnung ist einfach: „Wenn du in zwei Minuten nach 800 Metern ins Ziel kommen willst, musst du 400 Meter in 55 und 200 Meter unter 26 Sekunden laufen. Einen gewissen Abschlag musst du einbeziehen. Das sind schnelle Zeiten, die kann kaum einer laufen.“ So sei er über die Geschwindigkeit auf seine Strecken gekommen, als er bei der LG Bad Soden/Sulzbach/Neuenhain wieder angefangen hatte. Damit war ihm schnell klar, dass die langen Strecken seine Schwächen sein würden. Bis 1500 Meter kann er auf nationalem Niveau mithalten, „allerdings sind die Konkurrenten international etwa zehn Sekunden schneller“. So sah Oberließen relativ früh, dass er sehr weit kommen konnte.

Als er die Klasse M 50 im Jahr 2011 erreichte, ging es für Oberließen wieder richtig los. Über 400 Meter holte er seinen ersten deutschen Meistertitel. Ein Jahr später holte er drei weitere deutsche Titel, in beiden Jahren zusammen kamen elf Hessenmeistertitel im Freien und in der Halle dazu – und natürlich der Weltmeister-Titel in Jyväskylä in Finnland. „Da hatte ich Glück, mit vergleichsweise mäßigen 2:05 Minuten zu gewinnen. Die Zeiten werden schneller und die Leistungsdichte größer“, erklärte der Schwalbacher. Insgesamt holte er dort zwei Titel – über 400 und 800 Meter. Und auch seine zehn deutschen Meistertitel teilen sich genau auf diese beiden Strecken auf. Witzig aus seiner Sicht: „1979 habe ich meine Bestzeit von 2:03 Minuten aufgestellt. Das war nicht richtig gut. Ich bin aber nur ein Mal schneller gelaufen. Wenn mir das jetzt noch einmal gelingen würde, wäre das Weltrekord in der Klasse M 55. Das ist schon eine merkwürdige Geschichte.“

Als er im vergangenen Jahr im August im Rahmenprogramm der Weltmeisterschaften über 800 Meter mit den jahresweltbesten Akteuren lief, stellte er fest, dass er unter zahlreichen ehemaligen Nationalmannschafts-Läufern war.

Oberließen hat mit den 400 und 800 Metern zwei Hauptstrecken, die nicht zwangsläufig zusammenpassen. Geläufiger sind die 800 und 1500 Meter. Eine weitere Besonderheit: Oberließen trainiert zumeist alleine. „Es gibt keine Trainingsmethoden für Senioren, es gibt nur prinzipielle. So habe ich mir meine Trainingspläne mit Hilfe des Internets gemacht. Es gibt auch wenige Trainer, die sich auf diesen Bereich der Mittelstrecke spezialisiert haben.“

Derzeit trainiert der „Leichtathlet des Jahres 2015“ sehr spezifisch mit täglich bis zu zwei Einheiten bis zu zwei Stunden. Dies ermöglicht ihm seine Tätigkeit bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Eschborn, wo er Projekte zur Prozess-Optimierung betreut, denn er kann in dieser Zeit auch von zu Hause aus arbeiten und sich seine Zeit einteilen. Außerdem praktiziert er jeden Abend eine Stunde Yoga, „um eine höhere Beweglichkeit zu bekommen, und weiteres Krafttraining. Derzeit schaffe ich 100 Liegestützen am Stück.“

Ein Tempomacher

Peter Oberließen hat ein großes Ziel: Am Sonntag, 1. Mai, möchte er bei den Bahneröffnungs-Wettkämpfen der LG Bad Soden/Sulzbach/Neuenhain den Weltrekord über 800 Meter in der Klasse M 55 brechen.

Bei diesem Lauf wird sein Arbeitskollege Björn Dollmann, der für den USC Mainz startet und über 3000 Meter deutscher Hallenmeister in der Halle und der Klasse M 35 ist, für das Tempo sorgen. „Das ist mein einziges Ziel. Ich habe die Wettkämpfe in der Halle ausgelassen, um mich darauf vorzubereiten. Alles Andere klärt sich danach.“ So weiß Oberließen nicht, ob er anschließend bei den deutschen Meisterschaften startet oder ob er im September nach Perth zur WM fliegt: „Es gibt erst einmal das eine Ziel.“

Tipps für Senioren

Für Senioren, die ebenfalls wieder intensiv Sport treiben möchten, hat er einige Tipps parat. Oberließen: „Man muss lernen, auf seinen eigenen Körper zu hören. Wichtig ist auch, dass man das tut, was einem Spaß macht. Ich verlasse mich auf mein Gefühl, dass es das Richtige ist, was ich mache.“ Für den Schwalbacher ist auch eins offensichtlich: „Wer bei den Senioren gewinnt, das kann man bereits vorher sehen. Wer die beste körperliche Konstitution hat, gewinnt auch. Übergewicht kann man sich dort nicht leisten.
FM