LG Bad Soden / Neuenhain

Leichtathletik

Frank Wiegand beim Spartathlon 2019


Manche Ultra-Läufe sind berühmt. Andere berüchtigt. Zu den berühmt-berüchtigten gehört der 246 Kilometer lange Spartathlon in Griechenland, der auf der historischen Strecke von Athen nach Sparta verläuft. “Vater” des Spartathlon ist der griechische Bote Pheidippides, der 490 v. Chr. während der Perserkriege von den Athenern nach Sparta geschickt worden sein soll, um bei den Spartanern um Hilfe in der bevorstehenden Schlacht bei Marathon zu bitten. Angeblich begab er sich morgens auf die 246 km lange Strecke und kam am Abend des nächsten Tages an.
LG BSN „Ultra“ Frank Wiegand hat sich am 26. September 2019 auf das Abenteuer eingelassen. Hier sein anschaulicher, eindrucksvoller, sehr persönlicher Bericht:

Nachdem nun einige Tage der Reflexion ins Land gegangen sind und ich mich mit meiner lieben Frau auf Santorin von den Strapazen erhole, will ich mal ein kurzes Feedback geben, wie es mir bei meinem ersten Spartathlon ergangen ist.

Es war für das gesamte Läuferteam ein dramatisches Rennen, das für mich und 60% meiner Kameraden leider nicht gut ausging.
Im Gegensatz zu den kalten Temperaturen des Vorjahres, als es regnete, erreichten wir Spitzenwerte für September von 34-35C im Schatten. Den gibt es aber nicht. Schon am Start morgens um 7:00 in der Dämmerung an der Akropolis hatten wir 21C.

Den ersten Marathon konnte ich recht gut in 3:51 absolvieren, obwohl es schon auf der Küstenstraße und der Autobahn raus aus Athen reichlich Höhenmeter gab. Um 11 Uhr hatten wir da bereits 30C. Ich nahm dann etwas raus und versuchte, mit viel Salz, Magnesium und Elektrolytgetränken mein System in Ordnung zu halten. Leider passierte mir das, was fast allen Läufern passierte - bei 74 km war ich völlig überhitzt und mein Puls wollte auch im Stehen an der Verpflegung kaum noch von 160 runter. Als ich nach kurzer Trinkpause wieder anlief, bekam ich massive Krämpfe in der Oberschenkelmuskulatur. Gehen und wieder anlaufen funktionierte nicht, so dass ich mich 6 km bis Korinth schleppte, wo ein großer Checkpoint mit Massage war. Beim Massieren bekam ich weitere brutale Krämpfe wie ich sie seit meinen Marathon-Anfängen nicht mehr hatte. Meine Frau versorgte mich dann mit salzhaltigem Essen und reichlich Obst und Getränken. Von meinen 1,5 Stunden Vorsprung auf den Cut Off waren nur noch 30 Minuten Rest, als ich wieder loslief und noch einmal probierte, das Rennen aufzunehmen. Viele Freunde waren da schon raus.

Mit der Unterstützung meiner Frau schaffte ich es, mich wieder zu motivieren und zumindest in den Flachpassagen und leichten Anstiegen zu laufen, so dass ich bis zum Beginn des Sangas Passes mitten in der Nacht bereits wieder 1:10 h Vorsprung auf den Cut Off herausgelaufen hatte, da die Temperatur nun bei angenehmen 20 C lag
(red. Anmerkung: gemäß den Laufregularien müssen die Läufer innerhalb einer bestimmten Zeitspanne – ist im „Roadbook“ niedergelegt - einen der 75 Checkpoints erreicht haben, anderenfalls werden sie von der Rennleitung aus dem Rennen genommen).

Leider hatte ich bei km 105 einen schweren Sturz, bei dem ich mir eine sehr schmerzhafte Verletzung der linken Hand zuzog. Der Rennarzt meinte, dass wohl 2 Mittelhandknochen gebrochen seien, weil die Hand dick anschwoll und sich Hämatome bildeten.
Ich lief aber trotzdem weiter - bis über den 1065 m hohen Sangas Pass, der aus einem sehr schwierigen Trailpfad und einem langen steilen Gefälle besteht. Die Mountainbase vor dem Trail hatte ich nach 159,5 km mit 50 Minuten Vorsprung auf den Cut Off erreicht.
Das Bergabstück konnte ich wegen meiner zerstörten Oberschenkelmuskeln und der kaputten Hand nur noch vorsichtig im Scheinwerferkegel der Stirnlampe hinunter gehen ohne dabei wegzurutschen. Das schlimmste Stück für mich.
Völlig entkräftet kam ich unten mit 25 Minuten Vorsprung an und musste mir erst mal die schmerzende Hand vereisen lassen. Leider konnte ich wegen rebellierendem Magen schon seit Stunden keine Energiegels mehr essen. Als ich versuchte auf Asphalt bergab zu laufen, bekam ich wieder Krämpfe und musste eine Weile gehen, was Zeit kostet und den Kreislauf runter fährt.

Inzwischen war es 6 Uhr morgens und ich so übermüdet, dass ich während des Gehens wie hypnotisiert vom Lichtkegel immer wieder in Sekundenschlaf verfiel und beinahe in den Graben gelaufen wäre. Am Checkpoint 50 (von 75) setzte ich mich kurz hin, um wieder klar im Kopf zu werden und bin Sekunden später eingeschlafen. 15 Minuten später kam die Sirene, dass die Cut off-Zeit erreicht und das Rennen bei 168 km mit 3000 Höhenmetern für mich beendet war. Der Besenwagen hat mich einige Stunden später nach Sparta gebracht, wo ich mir erstmal im Krankenhaus meine Hand versorgen ließ. Röntgen ergab keine Brüche, aber schwere Verletzungen von Bändern, Sehnen und Muskeln. Jetzt, nach 6 Tagen sieht es schon besser aus.

Fazit: Es war zwar das erwartet schwere Rennen, aber man kann vorher nicht alle Faktoren berücksichtigen, die am Renntag das Geschehen beeinflussen. Die Summe der Baustellen und Krisen, die ich bewältigen musste, war am Ende einfach zu viel, um das noch mit einer guten Psyche zu bewältigen. Mein Körper hat mir dieses Mal die Grenze gesetzt, wie bei 50% aller Teilnehmer auch.
Ich kann mir nichts vorwerfen und habe sicher keine schwerwiegenden Fehler im Vorfeld und während des Rennens gemacht. Ein bisschen Pech mit Wetter und Sturz hat vielleicht das entscheidende Zünglein an der Waage gebildet. Spartathlon ist ein Mythos und ich weiß nun warum. Sicher das härteste Non-Stop-Rennen meines Lebens.